Helmut Schmidt

Helmut Schmidt

* 23.12.1918
† 10.11.2015
Erstellt von abschied nehmen
Angelegt am 11.11.2015
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Helmut Schmidt

11.11.2015 um 08:00 Uhr


Helmut Schmidt war einer der bedeutendsten deutschen Nachkriegspolitiker. Der Altkanzler und Mitherausgeber der „Zeit“ ist im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.

Helmut Schmidt hat so lange gelebt, dass seine Zeit als Bundeskanzler längst vergessen ist. Vor mehr als 30 Jahren hat Helmut Kohl ihn durch ein Misstrauensvotum abgelöst. Doch auch eine Generation später ist der 96-jährige im Bewusstsein der Zeitgenossen so präsent wie kaum ein aktiver Politiker. Die Welt, wie Helmut Schmidt sie sah, mochten die Deutschen sich immer wieder gern erklären lassen. In Büchern, Zeitungsartikeln, Fernsehinterviews.

Am 16. Mai 1974 wurde Helmut Schmidt als fünfter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. Ein Bündel von Herausforderungen wartete auf den sturmfluterprobten „Macher“ (im Gegensatz zum „Grübler“ Willy Brandt). Die Konjunktur lahmte. Die Erdölkrise belastete sie zusätzlich. Nichts, was den früheren „Superminister“ für Wirtschaft und Finanzen hätte schrecken können. Im konservativen französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing fand er einen kongenialen Partner (wie später Kohl im Sozialisten Francois Mitterrand).

Die Vorform des Euro initiiert

Die beiden initiierten ein europäisches Währungssystem – die erste Vorform des Euro. 1975 begann das Duo mit den „Weltwirtschaftsgipfeln“ – bis heute Institution. Innenpolitisch regierte er im Sinn dessen, was sein Lehrer und Vorgänger als Minister Karl Schiller entwickelt hatte: Der „konzertierten Aktion“. Er versicherte sich der Rückendeckung von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften – Männer seiner Generation an der Spitze, auf deren Wort er sich verlassen konnte. Das war Schmidts Welt.

Erhard Eppler dagegen, der als erster führendender Sozialdemokrat die Bedeutung der Ökologie erahnt hatte, war für ihn nur „ein Studienrat, der seine Lebensängste auf die Kernenergie projiziert“. Prompt trat der Entwicklungsminister kurz nach dem Wechsel von Brandt zu Schmidt zurück.

Jenseits seines Horizontes nahm Schmidt nur „idealistischen realitätsfernen Romantizismus“ wahr. Doch eine Minderheit dieser Romantiker griff zur Waffe und bescherte der Republik einen blutigen „heißen Herbst“. Der Kanzler brauchte eine Weile, bis er in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus zu gewohnter Härte fand. Darüber versäumte er es aber, die vielen jungen Menschen ernst zu nehmen, die friedlich aufstanden gegen etwas, das er für richtig erachtete – die zivile Nutzung der Kernkraft, die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen.

Kultureller Graben


Mit der jungen Generation ging es jedoch nicht nur um sachliche Differenzen. Da tat sich ein kultureller Graben auf. Mit eisiger Schärfe hat Oskar Lafontaine ihn auf den Begriff gebracht. Der damals aufsteigende Star der SPD-Linken warf Schmidt vor, er appelliere nur an „Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit“. Alles „Sekundärtugenden“, mit denen „man auch ein KZ betreiben“ könne.

Wie einst Brandt mit Scheel, bandelte am Ende seiner Regierungszeit Hans-Dietrich Genscher hinter seinem Rücken mit Helmut Kohl an. Bei den folgenden Neuwahlen erzielte die SPD mit 38,2 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1961. Bald darauf schied Schmidt aus dem Bundestag aus und wechselte als Mitherausgeber zur Wochenzeitung „Die Zeit“. Eine ungewöhnliche Entscheidung für einen Mann, der Journalisten gern als „Wegelagerer und Indiskretins“ bezeichnet hatte.

Stets eine Antwort parat

Aber für ihn ein „Glücksfall“, wie der langjährige „Zeit“-Korrespondent und Schmidt-Biograf Gunter Hofmann nicht ohne Spott bemerkte: „Ohne Last der Verantwortung auf den Schultern konnte er schreibend zu den Fragen Stellung nehmen, mit den sich seine Nachfolger Kohl Schröder und Merkel herumplagen mussten, selbst wenn sie sie nicht beantworten konnten.“

Schmidt hatte stets eine Antwort parat - mal mäandernd lang in seinen Büchern, mal kurz und pointiert wie in der kleinen Interviewreihe „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“. Sie machte ihn im hohen Alter zum Idol einer Generation, die von jenen Lehrern genervt war, die in ihrer Jugend Willy Brandt verehrt hatten. Eine späte Genugtuung.

Gelassenheit der späten Jahre

Im Alter von 96 Jahren starb Helmut Schmidt in seinem Eigenheim im Stadtteil Langenhorn, das er seit 1962 bewohnt hatte – fast 50 Jahre lang mit seiner Ehefrau Loki, dann mit seiner neuen Partnerin Ruth Loah. Nach einem Krankenhausaufenthalt ging es ihm so schlecht, dass er sogar auf die Mentholzigaretten verzichtete, die zum Markenzeichen geworden waren.

Mit der Gelassenheit der späten Jahre hatte er sich auf das Lebensende vorbereitet. Helmut Schmidts letztes Buch hieß: „Was ich noch sagen wollte“.


Quelle: www.mz-web.de/Helmut-Schmidt